Freitag, 11. November 2011

Sommerstress und Mittelalterliches

Der Sommer – oder zumindest die Zeit, in der er gewöhnlich stattfindet - war geprägt durch allerlei Unruhe durch dringend notwendige Baumaßnahmen, die natürlich nie in der geplanten Zeit und in der vorgesehenen Weise stattfinden konnten. Was einerseits am unsommerlich nasskalten Wetter und andererseits an verschiedenen, von uns nicht beeinflussbaren, Umständen lag.

Die mit den Jahren etwas wackelig gewordene Treppe musste erneuert werden, d.h. der (einzige!) Ein- und Ausgang des Hauses war kurzzeitig nicht ohne weiteres begehbar.


Queen Molly nimmt kurzerhand den – eigentlich für mich gedachten – Notausgang aus meinem Schlafzimmerfenster. Dabei hätte sie auch ganz normal über ihre Katzenleiter gehen können!

Als die Treppe nun fertig war, hätte das nächste Unternehmen gleich folgen sollen.



Nachdem die letzten Winter so viel Schnee gebracht haben, dass weder der Schneefang noch die einfach nicht dicht zu kriegende Dachrinne damit fertig wurden, war es notwendig, wenigstens die Treppe zu überdachen, damit man nicht jeden Morgen die aufgetropften Eishuckel mitten auf den Stufen mit viel Salz auftauen musste, um überhaupt treten zu können (so war die Treppe auch kaputt gegangen!).
Doch die Chefin der Dachdeckerfirma musste erstmal ins Krankenhaus und wiederum verschob sich alles.

Wenigstens war zwischendurch das Wetter soweit freundlich, dass ich die notwendigen Sicherungs- und Stabilisierungsmaßnahmen an meinem Verkaufsstand erledigen konnte.
Natürlich entwickelte auch das immer wieder ein Eigenleben und war im Endeffekt umfangreicher als geplant.
Der Verkäufer im Baumarkt amüsierte sich schon jedes Mal, wenn ich kam, um noch irgendwas zu suchen, was ich gebrauchen konnte – meist zweckentfremdet! - „Was denn, immer noch nicht fertig?!?“ J

Doch nicht zuletzt dank der großzügigen Spende meiner Freundin Silvia in Form von „Quadratkilometern“ (zumindest fühlte es sich so an) an Gardinenstoff war auch dieses Teil knapp vorm Mittelaltermarkt stabilisiert und wasserdicht!

Die sicherste (und billigste) Methode, das Ding wirklich dicht zu kriegen, ist Baufolie.
Aber die glänzt eben zu sehr unmittelalterlich.


Also mußte das Ganz etwas bedeckt werden - leicht und schnell trocknend.
Allerdings war es notwendig, die Gardine doppelt zu nehmen, um den
Glanz der Folie abzuschwächen. So entstand ein interessanter Changeant-Effekt mit aufgesteppten Spinnennetzen - passend zum geknüpften Netz auf dem Dach.


Die neue Regenhülle mit Vordach.
Das kommt natürlich über das eigentliche Zelt aus Segeltuch.

Langensalza, der zweite Versuch: ( Dies war der erste!)
Unserem Wunsch entsprechend bekamen wir diesmal einen besseren Platz (genau den, den ich mir eigentlich heimlich immer gewünscht habe J) und trotz anfänglicher Sorge, wie mein Auto das alles schleppen würde und Regen (natürlich!) beim Aufbau – lief alles diesmal recht gut.


Wir waren mitten im Geschehen, alle Züge kamen unmittelbar an uns vorbei, das Geschehen auf der Bühne war zu hören, aber nicht zu laut, Versorgungsstände in unmittelbarer Nähe, kurze Wege zu allen wichtigen Einrichtungen, Parkplatz nicht weit entfernt, unser Platz zwischen zwei Bäumen gewährte Schutz und Abspannmöglichkeiten an den Baumgittern, ein freundlicher Nachbar gab mit seinem großen Stand Windschutz von der Straßenseite her und war auch sonst recht hilfsbereit – soweit perfekt!


Frau Schnell vom Kulturamt war sehr um unser Wohlergehen bemüht und kam öfters vorbei.
Wechselhaftes Wetter mit Wolken und Wind (zum Glück nicht zu stark), einmal ein leichter Schauer (wir saßen diesmal trocken!), kalte Füße und gemäßigte Temperaturen ließen uns gelegentlich frösteln, aber insgesamt war’s schon okay.


Die Jungs vom Backstand (unsere Nachbarn im vorigen Jahr) fanden uns und begrüßten uns überschwänglich.
Sie standen wieder am Schulplatz, zu dem ich in diesem Jahr leider nicht kam, aber das werden sie sicher verschmerzt haben, da Anna sie dort besucht hat.

Immer wieder ist zu bemerken, dass auf dem Markt eigene Gesetze herrschen:
da sind wir alle eine Art Fahrendes Volk und es gibt einen besonderen Zusammenhalt. So ergeben sich freundschaftliche Begegnungen, die auch weiter bestehen können über diese gemeinsame Zeit hinaus: Kontakte und Gespräche auf gleicher Ebene, ohne Vorbehalte, zwischen bis dahin völlig Unbekannten, eine besondere, wirklich ehrlich gemeinte Herzlichkeit, die man sonst kaum noch findet.


Schräg gegenüber der Böttcher mit seiner Frau
bei der Arbeit.

Allerdings ist das wohl eine Besonderheit der Mittelalter- und Künstlermärkte, da hier die Akteure in einer eigenen Welt leben – es geht tatsächlich ums Erleben, Dabeisein, die Atmosphäre...
Das Geschäft ist zwar auch wichtig, aber nicht das einzig Entscheidende.

Irgendwie erscheinen die Leute lebendiger, echter, authentischer - so als ob viele von ihnen hier unter einer scheinbaren Verkleidung ihr eigentliches Wesen zeigen können. Individualität ist in dieser Umgebung die wichtigste und allgegenwärtigste Eigenschaft - im Gegensatz zur üblichen, eher uniforniert angepassten Gleichförmigkeit.


Ernesto, der Bierbrauer und Musikant aus Wien, ist schon eine feste Institution auf dem Markt.


Die "Radugas" sind auch mal zu einem Schwätzchen zwischendurch bereit.


Natürlich fallen da auch Einige heraus oder besser: fügen sich gar nicht erst ein.
So wie der Stand uns gegenüber, vom Typ „Billiger Jakob“ – ein typischer Händler, der einfach alles verkauft, egal was, und sich um Atmosphäre oder angemessenes Erscheinungsbild wenig kümmert. Solche Leute verderben nicht nur das Bild, sondern auch den ehrlichen Kunsthandwerkern das Geschäft. Denn natürlich findet der seine Kundschaft, weil das Geld in den Taschen knapp, die Ansprüche deshalb oft mehr auf Masse als auf Qualität ausgerichtet sind und der Geschmack größtenteils beliebig verflacht.
Er hat uns auch zunächst etwas mitleidig belächelt, kam aber dann doch einmal herüber, als er feststellte, dass auch wir unsere Interessenten haben, um zu sehen, was wir da eigentlich anbieten. Zwar konnte er selbst nicht viel damit anfangen – aber immerhin...

Für uns war der „Billige Jakob“ (keine Ahnung, wie er wirklich heißt) keine wirkliche Konkurrenz, denn meine Sachen sind einfach zu speziell, um einem breiten Publikum zu gefallen. Das ist für andere Leute mit einem speziellen Blick und Anspruch. Sie sind eher selten, aber es scheint mehr davon zu geben als man meint.
Und sie finden den Weg genau hierher. Viele kommen auch wieder, wie die Frau, die im vorigen Jahr ein Bild gekauft hat und uns in diesem Jahr sogar auf dem Markt gesucht hat, weil sie mehr wollte.
Es ist einfach wunderbar zu erleben, dass sich Menschen richtig freuen können, weil sie meine Sachen gefunden haben. Und ich weiß, dass sie sie zu schätzen wissen und sich lange Zeit daran erfreuen werden. Das ist etwas anderes als nur einfach etwas zu kaufen.

Gemessen am betriebenen Aufwand lohnt es sich in materieller Hinsicht für mich überhaupt nicht, zumal ich die Hälfte an Anna abgebe, für die Reise und ihre Hilfe, denn allein packe ich das nicht. Genau genommen zahle ich eher drauf, aber es sind diese Erlebnisse, diese unschätzbaren Erfahrungen, Kontakte, die für wer-weiß-was irgendwann nützlich sind, die Bestätigung, dass das, was ich tue, doch gebraucht wird, um anderen Freude zu machen.
Irgendwie braucht halt jeder eine Bestätigung seiner Daseinsberechtigung, nicht wahr? J


Auch das war eine überraschende Erfahrung – auf dem Markt ein Zuhause zu haben. Als Besucher waren wir immer unterwegs, mussten einen Platz zum Ausruhen suchen, konnten aber nie lange verweilen, was oft recht anstrengend war. Jetzt konnten wir uns – dank des günstigen Platzes – auch mal einen Bummel über den Markt erlauben, hier und da etwas plaudern und dann in unseren eigenen kleinen Bereich zurückziehen und das vorbei treibende Geschehen betrachten. Welch ein Luxus!



Da das Bauwerk nun sicherer war und dadurch etwas geräumiger, konnte man sogar einmal Besucher herein bitten.

So war die Zeit ganz angenehm zu verbringen und als es dunkel wurde, zündeten wir die Laternen an.


Anna beaufsichtigte immer mal den Nachbarstand, wenn der Besitzer
in dringenden Angelegenheiten unterwegs war.


Später traf sie sich noch mit einer Freundin, um die Feuershow zu besuchen.



Ich musste den Stand hüten, aber dank ihrer vielen Fotos hatte ich wenigstens optisch auch etwas davon.


In dieser Zeit kam ein älteres Pärchen zum Stand, deren Kostüme - Kniehosen und Jacket, Reifrock und Korsett (alles aus Seide) und weiße, gepuderte Perücken - doch in ein anderes Jahrhundert gehörten. - Zeitreisende?
"Wundern Sie sich nicht, wir kommen gerade vom Barockfest aus Gotha. Aber wir wohnen hier und wollten noch mal schnell über den Markt schauen."
Ah, das erklärt alles!

Mitternacht kam schnell und wir rüsteten allmählich zur Nachtruhe.
An diesem Platz konnten wir nach Marktschluss das Auto direkt vor den Stand stellen (geschützt durch die dort befindlichen Poller), Anna quartierte sich darin ein und ich schlief in der Hütte. Das heißt – ich versuchte es.
In der Straße befand sich ein Restaurant mit Außensitzen, wo sich ein paar volltrunkene Randalierer mit den Securityleuten verbale und offensichtlich auch andere Gefechte lieferten, bis endlich gegen 1.30 Uhr der größte Schreihals weggeräumt wurde.
Danach war immer mal wieder Unruhe bis ca. 4.00 Uhr früh, der Wind frischte auf, die Planen anderer Stände schlugen laut und in meinem Luftschloss zog es ziemlich. Aber die Konstruktion hielt und mein Schlafsack hat sich wieder einmal bewährt. Bei Windwetter ist allerdings ein Schlafmützchen mit Ohrenschutz empfehlenswert.

Nach – doch tatsächlich – ein paar Stunden Schlaf begrüßte uns ein zwar kühler, aber freundlicher Morgen.
Blauer Himmel mit ein paar Wolken , etwas Sonnenschein, der sich allerdings verzog, als wir uns zum Frühstück vor den Stand setzten. Die fürsorgliche Frau Schnell war zur Stelle, erkundigte sich nach unserem Befinden und war schon wieder traurig, als ich ihr erklärte, mir das eigentlich nicht wieder antun zu wollen.
Abgesehen von Annas üblicher Morgenmuffeligkeit (dabei hatte sie doch offenbar wirklich recht gut schlafen können) und einigen Durchhängephasen am Tag ging es ganz gut.
Einige wirklich nette Kunden, freundliche Gespräche, ein unverhoffte Einladung zum Tortenessen, Begegnungen mit Freunden und Bekannten, kurz vor Schluß noch eine kleine Runde über den Markt, wobei ich unter anderem erfuhr, dass meine Standkonstruktion tatsächlich die Aufmerksamkeit anderer, sogar eines professionellen Standbauers erregt hat.
Und auch mein auf dem Markt entstandenes Werk hat eine Liebhaberin gefunden.

Beim Abbau kamen einige Leute, die wir ja gerade erst hier kennen gelernt hatten, vorbei, um sich herzlich zu verabschieden.
Unser netter Nachbar versuchte seine Abfälle an uns weiterzugeben – manches haben wir gern angenommen (Lederabfälle und einen übrig gebliebenen Schirm), anderes dankend abgelehnt...
Die Security-Leute observierten uns beim Einräumen des Autos (wahrscheinlich nur, weil die breiten Poller eine Sitzgelegenheit waren) – ich fühlte mich nicht sicher, sondern überwacht.

Abbau geht immer schneller als Aufbau, trotz der vielen Stecknadeln, die wir verwendet haben. Das Packen war trotzdem nicht leicht, da wir einiges dann anders verpackt hatten und ich mich an die genaue Reihenfolge auch nicht mehr erinnern konnte. Also mehrfach rein und raus, bis endlich alles verstaut war. Wir waren so ziemlich die Letzten, die den Platz verließen, was den unbestreitbaren Vorteil hatte, dass alle Wege nun frei waren.

Als ich nämlich sah, wie alle anderen im Aufbruch ihre Fahrzeuge buchstäblich verknoteten und dann in teils abenteuerlicher Waghalsigkeit wieder auseinanderfädelten, beschloss ich, dieses Spiel nicht mitzuspielen und mein Auto lieber etwas später zu holen.

Nach einer falschen Abfahrt im Kreisel und der daraus resultierenden größeren Ehrenrunde kamen wir dann ohne weitere Zwischenfälle zu Hause an. Das meiste Zeug wurde doch noch schnell ausgepackt und dann genossen wir das eigene kuschelige Bett.

Beim Frühstück am nächsten Tag wurde natürlich schon wieder beraten und diskutiert, was man im nächsten Jahr noch verbessern könnte.

Frau Schnell war sehr erfreut über diesen Meinungswechsel.



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