ein Diskussionskonzert im Rahmen der
Erfurter Veranstaltungsreihe
„Musik baut Brücken“.
Leuchtturm
Ich möchte Leuchtturm sein
in Nacht und Wind
für Dorsch und Stint
für jedes Boot -
und bin doch selbst
ein Schiff in Not!
Das Schloss Molsdorf bietet eine stilvolle und intime Umgebung für Veranstaltungen im kleineren Rahmen.
Der Veranstalter von der Konzertagentur Thüringen, Komponist und langjähriger Freund von mir, hatte in
seinen Jugendjahren vier Gedichte von Wolfgang Borchert als Lieder
vertont.
27 Jahre später habe ich unter dem Eindruck dieser Lieder vier Bilder gestaltet. Eigentlich
nur mehr für mich, um die Stimmung von Wort und Musik in meine
(Bild)Sprache zu transformieren.
Nun – wiederum viele Jahre später -
kam dieser Freund mit der Idee auf mich zu, man könne doch einmal
den ritualisierten Rahmen des Konzertes verlassen und Kunstform
übergreifend Musik und Bild in ihren gegenseitigen Beziehungen
vorstellen, die in der Regel nicht ohne Weiteres erkennbaren
Strukturen von Musik, Interpretation und bildnerischer Umsetzung
aufzeigen und mit den Besuchern ins Gespräch kommen, diskutieren,
Anregungen empfangen – und was sich sonst noch so ergeben möge...
Warum nicht?
Wir hatten ein kleines, aber feines
Publikum von meist älteren Konzertbesuchern, denen man sofort
anmerkte, dass sie wirklich interessiert waren.
Allerdings hatten sie noch keine
Ahnung, was auf sie zukommen sollte...
Neue Musik ist nun einmal bei der
ersten Begegnung mitunter etwas schmerzhaft. Und gelegentlich müssen
sogar Fluchtreflexe unterdrückt werden.
Nach einer kurzen Einführung
konfrontierten Pianistin und Sänger die Besucher mit dem ersten
Lied.
Die Mienen waren reserviert, mitunter
deutlich bemüht, kein allzu offensichtliches Missfallen
auszudrücken.
Dann erklärte der Komponist die
inneren Strukturen der Musik.
Das war nun wirklich Fachwissen, dem nicht jeder folgen konnte oder wollte. Allerdings war es durchaus eine wichtige Mitteilung, denn das Publikum wurde nun aufgefordert, beim nächsten Vortrag auf genau die bezeichneten Stellen zu achten.
Das war nun wirklich Fachwissen, dem nicht jeder folgen konnte oder wollte. Allerdings war es durchaus eine wichtige Mitteilung, denn das Publikum wurde nun aufgefordert, beim nächsten Vortrag auf genau die bezeichneten Stellen zu achten.
Was denn – das Ganze noch einmal
anhören ?!
Einige Mienen wurden deutlich
unbehaglich.
Aber sie hielten tapfer durch.
Schwieriger war es, die Leute zum
Gespräch zu animieren, doch auch da fanden sich Mutige, die die
Situation erkannten und akzeptierten, das dies kein übliches
Konzert, sondern eher eine zwanglose Runde darstellte, in der fast
alles erlaubt und möglich war.
Dann kam die Überleitung zur
bildnerischen Umsetzung.
Wie ich bemerkte, eine Sache, mit der die meisten eher etwas anfangen konnten – zumal das „Gesamtwerk“ nicht flüchtig und damit ungreifbar wie die Musik verklang, sondern materiell und unveränderlich vor ihren Augen stand.
Wie ich bemerkte, eine Sache, mit der die meisten eher etwas anfangen konnten – zumal das „Gesamtwerk“ nicht flüchtig und damit ungreifbar wie die Musik verklang, sondern materiell und unveränderlich vor ihren Augen stand.
Außerdem war es kleinformatig und mit
akzeptablen Farben und Formen durchaus erträglich.
Nach all dem – noch einmal der
Vortrag desselben Liedes.
Und da zeigte sich auf einmal, dass
nicht nur im Publikum, sondern auch bei den Vortragenden eine
Veränderung stattgefunden hatte:
Pianistin und Sänger hatten das Lied mehr verinnerlicht, selbst ein neues Verständnis gefunden und das war deutlich zu hören –
auch von den Zuhörern, die nun schon wesentlich entspannter wirkten und begannen, die ganze Sache zu geniessen oder wenigstens zu akzeptieren.
Pianistin und Sänger hatten das Lied mehr verinnerlicht, selbst ein neues Verständnis gefunden und das war deutlich zu hören –
auch von den Zuhörern, die nun schon wesentlich entspannter wirkten und begannen, die ganze Sache zu geniessen oder wenigstens zu akzeptieren.
Versuch es
Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfensegen
spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein!
Still dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind -
laß den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein!
Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein -
und versuche gut zu sein!
Es folgte das zweite Lied - der gleiche
Ablauf, aber etwas kürzer gefasst natürlich.
Die Barrieren waren gefallen und die
Reaktion erfolgte jetzt unmittelbar.
Endlich kam die lang ersehnte Pause.
Bei Neuer Musik ist das etwas
problematisch, da immer die Gefahr besteht, dass das Publikum die
Chance zur Flucht ergreift und man somit im zweiten Teil vor leeren
Stühlen agiert.
(Deshalb gibt es bei den meisten Konzerten Neuer Musik keine Pause.)
(Deshalb gibt es bei den meisten Konzerten Neuer Musik keine Pause.)
Nicht in diesem Fall.
Ein Pärchen verliess zwar den
Veranstaltungsort, aber nicht, weil Musik oder Bilder sie nicht
ansprachen, wie mir die Frau erklärte, sondern sie wollten nicht
soviel „zerredet“ haben.
Akzeptiert. Jeder hat schliesslich
seine eigene Art der Rezeption.
Die anderen nutzten die Gelegenheit,
sich die Bilder im Original genau anzuschauen und mit uns einzeln ins
Gespräch zu kommen.
Nun auch sicher, dass keine weitere
Gefahr drohte, erwarteten sie gespannt den zweiten Teil und hielten
ihre Meinungen auch nicht mehr zurück.
Gedicht
Blume Anmut blüht so rot,
Blume Huldsam blaut daneben.
Blume Anmut ist das Leben,
Blume Huldsam ist der Tod.
Süß und herbe ist das Leben,
herb die Lust und süß die Not.
Blume Leben blüht so rot -
Blume Tod blüht blau daneben.
Am Ende schienen alle vollauf zufrieden
zu sein.
Eine Besucherin äußerte sich sogar
richtig begeistert über die Idee der Veranstaltung – das sei
etwas, das sie hier und so überhaupt nicht erwartet hatte.
Alle – einschließlich Akteure –
haben einen unterhaltsamen Abend verbracht, neue Erfahrungen
gesammelt, neue Blickwinkel kennengelernt und neue Wege erfahren, wie
man sich Unbekanntem (z.B. Neuer Musik) nähern und es vielleicht
sogar verstehen und geniessen kann.
Selbst das Universum war uns
wohlgesonnen, denn die sehr nette Museumsmitarbeiterin hatte den
Impuls empfangen, die Deadline für die Security (der Zeitpunkt, an
dem alle Alarmeinrichtungen eingeschaltet werden) eine halbe Stunde
später als üblich anzugeben (22.30 Uhr statt 22.00 Uhr), als ob die
leichte Überziehung schon eingeplant gewesen wäre :).
Der Abschied war herzlich und das gute
Gefühl trug uns auf dem Heimweg in die verschiedenen
Himmelsrichtungen.
Experiment gelungen...
Abschied
Das war ein letzter Kuß
am Kai -
vorbei.
Stromabwärts und dem
Meere zu
fährst du.
Ein rotes und ein grünes
Licht
entfernen sich.
Ich sehe, es war also doch nicht so schlimm, wie anfangs gedacht, ja?
AntwortenLöschenNun, es war ein tolerantes Publikum, geduldig genug, um uns erst zu dem Punkt gelangen zu lassen, wo die veränderte Wahrnehmung begann...
LöschenWie gesagt, sie waren wirklich interessiert.